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Welche Rolle spielen internationale Erfahrungen bei der Entwicklung einer zivilen Gesellschaft in Russland?

Peter Rummel.
Bonn

Welche Rolle spielen internationale Erfahrungen bei der Entwicklung einer zivilen Gesellschaft in Russland?

    Hintergrund für meine Gedanken ist vor allem die sechsjährige Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern hier in Omsk im Bereich der Jugendarbeit. Das Thema unserer Kooperation lautet "Demokratisierung der Jugendarbeit".
    In diesem Zusammenhang haben wir uns zwar nicht explizit mit der Entwicklung eines Begriffs von ziviler Gesellschaft beschäftigt. Aber wir haben doch einige Elemente beschrieben, die nach meinen Vorstellungen dazu gehören sollten.
    Zu diesen Elementen zählen

    Dem voraus gegangen sind Analysen über die Situation der Jugendarbeit, der Interessen der Jugendlichen und der Angebote. Neben der Würdigung der Leistungen der bisherigen Jugendarbeit wurden natürlich auch Problemlagen beschrieben. Sie waren ja ein Anlaß für die Aufnahme der internationalen Zusammenarbeit.
    Für beide Aspekte sind internationale Kontakte und damit der Austausch von Erfahrungen wichtig.

    Aber auch die Beschreibung von Problemlagen wird umfangreicher und differenzierter:

    Internationale Erfahrungen sind also ein Spiegel für die Situation im eigenen Land. Dieser Spiegel wird zum Fokus, wenn internationale Erfahrungen das Wahrnehmen von Kritik an Zuständen im eigenen Land bedeuten.
    Wenn derjenige, der Kritik an Partner übt, ein Interesse daran hat, dass sie angenommen wird, sollten jedoch zunächst folgende Voraussetzungen geschaffen werden:

    Als Ausgangsbasis für die Sammlung und Verwertung internationaler Erfahrungen sind zunächst Analysen über die Situation im eigenen Land und Beschreibungen der Zielsetzungen für die gesellschaftlichenVeränderungen, hier den Aufbau einer zivilen Gesellschaft, notwendig.
    Vor jedem Versuch, Problemlagen zu verändern, müssen mögliche Ursachen beschrieben werden. Nur so können Ansätze zur Entwicklung wirksamer Konzepte für die Beseitigung von Problemen gefunden werden, will man nicht nach dem Prinzip Versuch und Irrtum handeln. Es muß also die Vergangenheit aufgearbeitet werden. Dabei reicht es sicher nicht, formal einen Schlußstrich unter eine bisherige gesellschaftliche Entwicklung zu ziehen, um dann neu anfangen zu können. Eine differenzierte Beschreibung von Ursachen muß sich z. B. mit gesellschaftlichen Hintergründen, Entwicklungen politischer Interessen und Auswirkungen von soziologischen, ökonomischen und administrativen Strukturen befassen. In allen Bereichen lassen sich Widerstände gegen die Veränderung herrschender Zustände, aber auch Ansatzpunkte für deren Veränderung finden. Dies gilt unter anderem für das Aufgreifen und die Beschreibung alter oder verschütteter ziviler Traditionen. Dabei geht es nicht um eine Verklärung der Vergangenheit, sondern darum, die Erinnerung einer Gesellschaft an selbst entwickelte Möglichkeiten von Problemlösungen wach zu halten. Auch hierbei kann Kritik seitens internationaler Partner von Nutzen sein.
    Die Ergebnisse sollten sich jedoch ebenfalls als Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit zu eigen machen.
    Internationale Erfahrungen bestehen u. a. in vielfältigen Einblicken in Möglichkeiten von Entwicklungen und Lösungen von Problemen, die sich im eigenen Land auf Grund historisch, politisch, soziologisch oder auf andere Art bedingter und damit eingeschränkter Sichtweisen kaum eröffnen würden. Dabei genügt es doch nicht, sich allein zu informieren. Gerade dort, wo es um das direkte Zusammenleben von Menschen und den Umgang miteinander geht, wo andere Verhaltensweisen vermittelt werden, müssen diese Erfahrungen mit eigenem Erleben verbunden sein. Das heißt, dass internationalen Erfahrungen in Form gemeinsamer, alltäglicher Zusammenarbeit gesammelt werden müssen.
    Das heisst natürlich auch, dass internationale Erfahrungen vertikal auf allen Ebenen der Gesellschaft ermöglicht werden müssen.
    Allerdings dürfte eine kritiklose Übernahme von positiven Erfahrungen, die über internationale Kontakte in das Land hinein getragen werden, kaum zu ähnlichen Ergebnissen führen wie in dem jeweiligen Herkunftsland.

    Um nachhaltige Entwicklungen anzustoßen, ist es notwendig, die Jugend maßgeblich mit einzubeziehen. Dies gilt vor allem dann, wenn Entwicklungen sich nicht nur auf die administrative oder gesetzliche Ebene beziehen, sondern Veränderungen, neue Kenntnisse und Fähigkeiten auf individueller Ebene erfordern. Jugendliche sind in der Regel noch offener gegenüber Veränderungen, unbefangener in ihrer Kritik und oft auch lernfähiger gegenüber neuen Anforderungen als ältere Generation. Nicht zuletzt wird mit gesellschaftlichen Veränderungen auch auf ihre Zukunft gestaltet, was bei einer Anerkennung der oben genannten Elemente einer zivilen Gesellschaft eine Beteiligung geradezu heraus fordert. Diese Möglichkeit ist allerdings auch eine starke Motivation für die Jugend, sich zu mobilisieren und zu engagieren.
    Natürlich sind die Möglichkeiten beschränkt, nicht nur der Jugend internationale Erfahrungen zu ermöglichen. Aber es könnte ja auch ein Ergebnis öffentlicher Diskussionen in einer zivilen Gesellschaft sein, diesem Aspekt mehr Gewicht beizumessen.

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