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Special Topic

ARTICLE: Die Roche’sche Grenze
by Tom Müller

Ein Gedankenexperiment

Stellen wir uns ein System vor, das aus zwei KÆrpern, etwa einem Mutterplaneten und einen ihn umkreisenden, natÝrlichen Satelliten, vor. Beide Objekte besitzen eine derart groúe Masse, dass sie in der Hauptsache von ihrer eigenen Gravitationskraft zusammengehalten werden, wobei die Masse des Planeten die des Satelliten Ýberwiegt.

Sehen wir uns den Satelliten etwas nÄher an. Auf diesen KÆrper wirkt also zuerst einmal seine Eigenanziehung, die seine Materie auf ein mÆglichst kleines Volumen zusammenzieht. Die IntensitÄt dieser Gravitationskraft kann einen gewissen „grÆúten Wert“ nicht Ýbersteigen und kann deshalb im Teil des Universums, der durch unseren Satelliten ausgefÝllt wird als eine Konstante betrachtet werden.

Da wir uns in einem System mit zwei massiven KÆrpern befinden, ziehen sich diese beiden Objekte gegenseitig an, genau wie es etwa die Erde und der Mond tun. Dadurch enstehen an der OberflÄche der zwei Objekte GezeitenkrÄfte, d.h. die OberflÄche des Satelliten krÝmmt sich in Richtung des Mittelpunktes des Mutterplaneten und umgekehrt (vgl. Special topic: Why the Moon always shows us the same face zum Thema Gezeiten/tidal forces). Dies bedeutet, dass die GezeitenkrÄfte unseren Satelliten wie Teig durchkneten und an verschiedenen Stellen wahrlich „auseinander ziehen“, also der Eigengravitation des Trabanten entgegenwirken.

Im Gegensatz zur Eigenanziehungskraft des Satelliten kann die Gezeitenkraft, die auf ihn wirkt nicht als ein konstanter Wert angesehen werden, da er neben den physikalischen Parametern wie den Massen und Durchschnittsradien der beiden KÆrper (die durchaus als konstant betrachtet werden dÝrfen) auch von der Entfernung zwischen den beiden Objekten abhÄngt. Je nÄher sich Planet und Satellit stehen, um so stÄrker sind die Auswirkungen der GezeitenkrÄfte.

Das heiút, dass falls wir den Satelliten immer nÄher an den Planeten heranrÝcken, die Gezeitenkraft, die versucht ihn auseinanderziehen, immer stÄrker wird. Der Satellit lÄsst sich allerdings nicht „StÝcke zereissen“ solange seine eigene Anziehungskraft stark genug ist, die Gezeitenwirkung zu kompensieren.

Irgendwann erreichen wir aber einen Punkt, an dem beide KrÄfte in einem Gleichgewicht sind. Hier wird es nun kritisch: rÝcken wir unseren Satelliten nÄmlich jetzt ein kleines StÝck weiter in Richtung Planet, beginnt er sich in seine Bestandteile zu zerlegen, da seine Gravitation es nicht mehr vermag gegen die ÝbermÄchtig gewordene „ZerstÆrungswut“ der Gezeitenkraft anzukÄmpfen.

Das eben besprochene Gedankenexperiment unternahm u.a. auch der franzÆsische Mathematiker Edouard Roche (1820 – 1883), dem es im Jahr 1848 gelang, eine Formel[i] herzuleiten, die es erlaubt die minimale Distanz zu berechnen, in der ein Satellit seinen Mutterplaneten umkreisen kann, ohne Gefahr zu laufen, zerrissen zu werden. Diese „minimale Bahn“ wird seither als „Roche’sche Grenze“ bezeichnet. ýberschreiten der Grenze auf eigene Gefahr...




Zwei Beispiele

Astronomen haben mittlerweile etliche Beobachtungen und Messungen unternommen, welche die theoretischen Ergebnisse, untermauern. Die wohl anschaulichsten Beispiele kÆnnen in der unmittelbaren, kosmischen Nachbarschaft der Erde gefunden werden.

So bestehen die Ringe des Saturns aus einer schier unermesslichen Anzahl von kleinen Gesteinsbrocken, die dicht genug nebeneinanderliegen, um aus einiger Entfernung den Eindruck eines zusammenhÄngenden Gebildes aufkommen zu lassen. Doch diese losen Steine haben niemals die Chance sich zu einem grÆúeren Mond zusammenzuschlieúen, da sie sich innerhalb der vom Saturn vorgegebenen Roche’schen Grenze befinden. Jede Ansammlung von genÝgend groúer Masse in diesem Bereich wÝrde sofort von den vorherrschenden GezeitenkrÄften wieder „auseinander gesprengt“ werden.



Einen weiteren eindrucksvollen, optischen Beweis lieferte der Komet Shoemaker-Levy 9 im Jahre 1994. Der Haarstern wurde vom grÆúten Planeten des Sonnensystems eingefangen und in eine Spiralbahn mit Entstation JupiteratmosphÄre gezwÄngt. Als er sich innerhalb der Roch’schen Grenze befand, zerbrach er unter den ungeheuren KrÄften in Ýber 20 Fragmente, die im Juli jenes Jahres mit dem dem Jupiter kollidierten und gigantische Impakte verursachten.






Eine Frage zum Schluss

Abschlieúend stellt sich jedoch noch eine Frage: „Wie ist es mÆglich, dass z.B. die Gesteinsbrocken, die die Saturnringe bilden, oder aber kÝnstliche Erdsatelliten, die sich allesamt innerhalb der Roche’schen Grenze um unseren Planeten bewegen, nicht zu Staub „zerrieben“ werden?

Nun, die ErklÄrung liegt in der Definition der Roche’schen Grenze. Das PhÄnomen des Zerrissenwerdens trifft fÝr KÆrper zu, die (fast) ausschlieúlich aufgrund ihrer Eigengravitation zusammengehalten werden. Bei kleineren KÆrpern mit sehr geringen Massen, wie eben den Gesteinsbrocken in den Saturnringen oder den kÝnstlichen Satelliten, spielt die Anziehungskraft nur eine durchaus vernachlÄssigbare Rolle fÝr die StabilitÄt des Objektes.

Es sind in diesen FÄllen eher die im mikroskopischem Bereich sehr viel stÄrkeren BindungskrÄfte, die zwischen den einzelnen Atomen und MolekÝlen wirken, aus denen die Materie besteht, welche diese Aufgabe Ýbernehmen. Und diese Wechselwirkungen sind selbst so nahe am Mutterplaneten immer noch stark genug, um den GezeitenkrÄften die Stirn zu bieten.



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[i]Die Roche’sche Formel lautet , wobei A den Radius der Roche’schen Grenze bezeichnet.  bzw. sind der Radius bzw. die Dichte des Mutterplaneten, steht fÝr die Dichte des Satelliten.




About the Author - Tom Müller
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Tom is currently studying math at the Uni Trier
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Special interests: our solar system and science history in general





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